Psychologische Aspekte des wachsenden Populismus
Aus der Sicht eines Therapeuten lässt sich der Aufstieg des Populismus auf der Welt nicht nur als politisches, sondern auch als psychologisches Phänomen betrachten. Hinter populistischen Bewegungen stehen oft individuelle und kollektive emotionale Dynamiken, die tief in den psychologischen Bedürfnissen des Menschen verwurzelt sind. Diese zu verstehen, ist nicht nur für politische Akteure wichtig, sondern auch für diejenigen, die die psychische Gesundheit von Einzelpersonen und Gesellschaften fördern möchten.
Angst und Unsicherheit als Nährboden
Eine zentrale psychologische Grundlage für den Populismus ist die Angst. Menschen erleben heute tiefgreifende Veränderungen, sei es durch Globalisierung, technologische Fortschritte oder ökologische Krisen. Solche Umbrüche lösen Unsicherheiten aus und rufen die Sehnsucht nach Stabilität hervor. Aus einer therapeutischen Perspektive weiß man, dass Angst oft zu einem Bedürfnis nach Kontrolle führt – und genau hier setzen populistische Narrative an. Sie bieten einfache Erklärungen für komplexe Probleme und versprechen klare, oft radikale Lösungen.
Diese Mechanismen ähneln dem, was in der Psychologie als „kognitive Vereinfachung“ bekannt ist: In stressreichen Situationen greifen Menschen auf binäre Denkmuster zurück („wir gegen die“, „gut gegen böse“), um die Komplexität ihrer Welt zu reduzieren. Populistische Führer nutzen diese Tendenz, um Feindbilder zu schaffen und sich selbst als Retter zu inszenieren.
Zugehörigkeit und Identität
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit. In Zeiten der Orientierungslosigkeit suchen viele Menschen Halt in Gruppen, die ihnen Identität und ein Gefühl von Sicherheit geben. Populistische Bewegungen schaffen Gemeinschaften, indem sie eine gemeinsame Identität betonen – oft basierend auf nationalen, kulturellen oder sozialen Abgrenzungen. In der Therapie zeigt sich, wie wichtig das Gefühl von Zugehörigkeit für das psychische Wohlbefinden ist. Allerdings können solche Identitätsgemeinschaften destruktiv werden, wenn sie auf Exklusion und Abwertung anderer basieren.
Das Bedürfnis nach Anerkennung
Viele Menschen fühlen sich in einer globalisierten Welt übersehen und machtlos. Populismus adressiert dieses Bedürfnis nach Anerkennung, indem er das „Volk“ ins Zentrum stellt. Populistische Bewegungen geben den Menschen das Gefühl, gehört zu werden, auch wenn dies oft durch polarisierende oder unrealistische Versprechen geschieht. In therapeutischen Kontexten zeigt sich, wie stark das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, Wut und Resignation hervorrufen kann – Emotionen, die von populistischen Rhetoriken gezielt kanalisiert werden.
Der Einfluss von Emotionen
Populismus arbeitet weniger mit rationalen Argumenten als mit starken Emotionen wie Angst, Wut oder Hoffnung. Diese Emotionen sind aus therapeutischer Sicht mächtige Triebfedern des Handelns, können aber auch zur Manipulation genutzt werden. Besonders Menschen, die sich hilflos oder ausgeschlossen fühlen, sind empfänglich für einfache Botschaften, die emotionale Bedürfnisse ansprechen, auch wenn die Inhalte rational fragwürdig sind.
Ausblick: Heilung durch Dialog
Was kann aus therapeutischer Sicht getan werden, um den psychologischen Nährboden des Populismus zu adressieren? Ein wichtiger Schritt ist die Förderung von Resilienz und kritischem Denken – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. In der Therapie geht es darum, Menschen dabei zu helfen, mit Unsicherheit umzugehen, differenziertes Denken zu fördern und gesunde Wege zu finden, um Zugehörigkeit und Identität zu erleben. Ebenso wichtig ist der Dialog, der Empathie und Verständnis zwischen unterschiedlichen Gruppen schafft und so den Kreislauf aus Angst, Abgrenzung und Wut durchbricht.
Populismus ist letztlich Ausdruck menschlicher Ängste und Bedürfnisse. Indem wir diese verstehen und gezielt ansprechen, können wir dazu beitragen, eine Gesellschaft zu fördern, die weniger anfällig für Spaltung und Manipulation ist – und in der die psychische Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Gemeinschaft gestärkt wird.